Lombardisch

Die lombardischen Dialekte gehören zur Gruppe der galloitalischen Dialekte. Sie werden in der Lombardei und außerdem im Schweizer Kanton Tessin und den italienischsprachigen Teilen Graubünden, in der piemontesischen Provinz Novara zwischen den Flüssen Sesia und Ticino sowie im Westteil des Trentino gesprochen.

Die Hauptgruppen des Lombardischen sind: Westlombardisch (gesprochen in den Provinzen Mailand, Novara, Varese, Como, Sondrio und im Tessin); Ostlombardisch (in den Provinzen Bergamo und Brescia); Lombardisch der Übergangsgebiete (in den Provinzen Pavia, Cremona und Mantua); Alpinlombardisch (im Veltlin).

Zu den gemeinsamen Merkmalen gehören: die Entwicklung des langen lateinischen u zu ü (lüna ‚Mond‘); der Wegfall aller Vokale am Wortende außer a (vus ‚Stimme‘, vgl. ital. voce); die Abschwächung bzw. Tilgung der stimmlosen intervokalischen Konsonanten (roda ‚Rad‘, vgl. ital. ruota; nuá ‘schwimmen, vgl. ital. nuotare); der Wegfall von Vokalen am Wortende verbunden mit der Nasalierung des vorangehenden Vokals ( ‚Brot‘, vgl. ital. pane); die Kürzung der langen Konsonanten (stupa ‚Werg (Fasertyp)‘, vgl. ital stoppa); die Palatalisierung der lateinischen Lautfolge ct (lac ‚Milch‘); der Wegfall von r beim Infinitiv der Verben (cantà ’singen‘, vgl. ital. cantare); die Endung -i der 1. Person Indikativ Präsens (mi dizi ‚ich sage‘); die Verwendung von Subjektklitika (ti te cãtet ‚du singst‘).

Krefeld, Thomas | Lücke, Stephan (Hrsgg.) (2014–):VerbaAlpina. Der alpine Kulturraum im Spiegel seiner Mehrsprachigkeit, München, online, https://dx.doi.org/10.5282/verba-alpina. Version 22/2. Accessed on 12-01-2023.

Es herrscht große lexikalische Variation, siehe z. B. die Karte aus dem VerbaAlpina-Projekt für den Begriff ‚Kind‘ (ital. bambino). In einigen Orten ist das Wort eine Ableitung vom Wort bambino, zum Beispiel in den mit B/C gekennzeichneten Orten (zum Beispiel bambì in Clusone und Alzano Lombardo).

In den mit A/G, gekennzeichneten Orten handelt es sich um eine Abwandlung von chétif, abgeleitet vom lateinischen Wort captivus ‚gefangen‘, zum Beispiel s-cèt (Clusone), scetì (Vertova, Palazzago), s-cetí (Alzano Lombardo), scècc (Ponteranica), s’cetì (Cenate Sopra) oder ʃtʃ’ɛt (Monasterolo Del Castello).

Andere Formen sind bocia (Vertova, D), tús (Clusone, U), und fjʏl’ɪ: (von fils/figlio ‚Sohn‘: Sant’Omobono Imagna, L).

Auf der VerbaAlpina-Website können Sie diese Karte sowie viele andere lexikalische Konzepte in den verschiedenen in den Alpen gesprochenen Sprachen weiter erkunden.

Die schriftliche Überlieferung des Lombardischen reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück, zum Sermon Divin von Pietro da Barsegapè. In der Folgezeit nutzen bis heute viele lombardische Schriftsteller den Dialekt, vor allem für Theaterstücke und Lyrik. Zu den bekanntesten Vertretern gehören Teofilo Folengo, Carlo Maria Maggi und Carlo Porta.

In den letzten zehn Jahren ist der Gebrauch des Dialekts in der Lombardei stark zurückgegangen: Die Daten des italienischen Statistikamtes zeigen, dass nur 5,6 % der Bevölkerung in der Familie überwiegend Dialekt sprechen, 26,1 % Dialekt und Italienisch gemischt. Noch geringer ist der Gebrauch des Dialekts im Gespräch mit Freunden oder gar Unbekannten.

Literaturangaben

Zur Vertiefung

  • Guerini, Federica (2023): Dialetti d’Italia: Lombardia e Ticino. Rom: Carocci.
  • Lurati, Ottavio (1988): Areallinguistik III. Lombardei und Tessin. Aree linguistiche III. Lombardia e Ticino. In G. Holtus, M. Metzeltin & C.  Schmitt C. (Hrsg.): Lexikon der Romanistischen Linguistik. Band IV. Italienisch, Korsisch, Sardisch. Italiano, corso, sardo. Tübingen: Niemeyer, S. 485-516.

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