Kanaltal-Deutsch

Das an Österreich und Slowenien grenzende Kanaltal ist heute Teil der Autonomen Region Friaul-Julisch Venetien im äußersten Nordosten Italiens. Vor allem in den Gemeinden Tarvis, Malborgeth-Wolfsbach und Pontafel liegen plurilinguale Gemeinschaften vor, die offiziell als viersprachig anerkannt sind. Neben der Staatssprache Italienisch und der regionalen Amtssprache Friulanisch verwendet die Bevölkerung den historischen, auf dem Südbairischen beruhenden Dialekt, der das Kärntnerische fortsetzt, sowie Slowenisch. Außerdem ist das Standarddeutsche aufgrund der Grenze zu Österreich verbreitet. 

Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges gehörte die Gegend zu Österreich, d.h. Deutsch war Amtssprache und die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung gehörte der deutschsprachigen Bevölkerungsgruppe an. Nach der Angliederung des Tales an Italien führte der Zuzug italienischsprachiger Bevölkerung zu plurilingualen Gemeinschaften, in der jede der drei großen europäischen Sprachgruppen (d.h. die germanische, romanische und slawische Sprachgruppe) vertreten war, so dass die Gegend auch als „Klein-Europa“ bezeichnet wurde (vgl. Steinicke et al. 2019).

Infolge der 1939 vom faschistischen Italien und nationalsozialistischen Deutschland ausgehandelten Wahlmöglichkeit (Option), die es nichtitalienischsprachigen Familien ermöglichte, ins Nachbarland umzusiedeln, kehrten sich diese Verhältnisse um. Der Anteil der autochthonen deutsch- bzw. slowenischsprachigen Bewohnerinnen und Bewohner des Tals an der Gesamtbevölkerung reduzierte sich stark. Ein weiterer Bevölkerungsrückgang hat in den letzten Jahren zusätzlich dazu geführt, dass die Sprecherinnen und Sprecher der Minderheitensprache immer weniger werden. Nur noch ein geringer Teil der älteren Bevölkerung verwendet heute in den zwischenmenschlichen Beziehungen bis zu vier Sprachen, während dies in der jungen Generation nicht mehr der Fall ist. Steinicke et al. (2019, S. 29) registrieren im Kanaltal weniger als 100 Personen, die den Kärntner Dialekt sprechen, während nur noch ca. 300 Personen eine slowenische Varietät verwenden. 

Zu dem benachbarten Österreich bestehen allerdings vielfältige kulturelle und kommerzielle Verbindungen. Dies- und jenseits der Staatsgrenze werden dieselben Traditionen und Bräuche des Kulturraums Kärnten gepflegt, was einem kompletten Sprachwechsel entgegenwirkt. Bereits im Jahre 1979 ist der Kanaltaler Kulturverein gegründet worden, der die deutsche Sprache und Kultur fördert. In der jüngeren Generation besteht ein klares Wissen um die kulturelle und ethnolinguistische Besonderheit, die eine neue regionale Identität der Kanaltaler erkennen lässt. 

Literaturhinweise

Zur Vertiefung

Webseite der Kanaltaler Gemeinschaft